FRAUENTURNEN: Bühne_Skulptur_Installation

Frauen um die 50 sind eine gesellschaftlich wenig beachtete Gruppe. Politisch nicht besonders interessant, da aus der Lebensphase der Reproduktion hinausgeglitten und in jene der Pensionierung noch nicht eingetreten. Es sind dies jene Menschen, die am Arbeitsmarkt kaum Chancen haben und dennoch laut Statistik noch viele Jahre leben werden (die Lebenserwartung der Frauen betrug 2017 83,9 Jahre – siehe: https://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/gender-statistik/index.html).

Im Stück FRAUENTURNEN beschäftigt sich ein feministisches Kollektiv – Johanna Hierzegger, Gabi Hiti, Pia Hierzegger, Juliette Eröd & Martina Zinner – im Theater im Bahnhof mit der Frage nach dem Potential des Restlebens und welche Erwartungen zu erfüllen Frauen sich weigern können. Bundespräsidentin – DIE PRIMA VULVA – ginge sich aber allemal aus.

>Eine Skulptur, die „Mein Österreich“ heißt, fünf Frauen, die darauf turnen. Ein Abend über die Ratlosigkeit, über den Wunsch, Teil der Gesellschaft zu bleiben und sich einzumischen oder das Recht auf Rückzug zu haben. Fünf Frauen um die fünfzig raffen sich auf und wappnen sich für die Zukunft. Sie glauben, dass das geht, wenn man den Humor nicht verliert. Sie entwickeln unterschiedliche Strategien, um die Demokratie zu retten, wollen an der Gestaltung der politischen Agenda teilnehmen und zweifeln dann immer wieder, ob das überhaupt ihre Aufgabe ist. Ob sie noch dazu gehören, möchten sie selbst entscheiden. Sie bewegen sich zwischen Selbstausbeutung und Selbstüberschätzung. Ob alle durchhalten, wird man sehen. Und eine von ihnen wird am Ende vielleicht die erste Bundespräsidentin Österreichs.< (https://www.theater-im-bahnhof.com/de/production/frauenturnen)

Die nachfolgende Fotodokumentation zeichnet anhand einer Timeline den Gestaltungsprozess mit spezifischem Fokus auf das Obejkt nach, von der Bühne zur Installation. Der Raum gibt in FRAUENTURNEN den Rahmen vor, er wird aktiv gestaltet, verändert und erhält Zuschreibungen. Das Bauwerk, so Pia, „steht für uns und für Österreich.“

  1. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 15.03.2018

VISIONIEREN

Die Bühne als Skizze für eine erste Ideenentwicklung: Ein Objekt als Denkraum.

Anhand duplizierter Bühnen-Skizzen (angefertigt von Johanna) legt das Kollektiv theoretisch erste Positionen, Bewegungen, Umbrüche und Stimmungen im Raum fest. Der Raum gibt dabei die Möglichkeiten vor.

Erste Anordnung von Bühnen-Elementen werden in der Praxis ausprobiert: Podeste, Sessel, Leiter und eine Abwasch sind vorhanden und werden zueinander aufgestellt.

Hauptelemente stammen aus dem Fundus des TiB, weitere Elemente & Artefakte werden günstig über willhaben zugekauft oder aus Privathaushalten beigesteuert.

Nr. 1

 

2. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 20.03.2019

DAS OBJEKT ALS SCHLÜSSEL

Die Skulptur wird durch zusätzliche Podeste erweitert, die Elemente – etwa die Sessel – neu angeordnet und ihr Wesen durch das Kollektiv erkundet, alsdann in ihrer Gesamtheit und Repräsentationsmacht betrachtet.
Martina: „Das Objekt ist der Schlüssel für den Abend und wir sind damit verbunden.“

Die Künstlerinnen prüfen die Voraussetzungen der Skulptur und benennen Einschränkungen.
Juliette: „Ich muss ein großes Vertrauen in die Skulptur haben.“

Nr. 2

 

  1. Fotos Bühne/Skulptur/Installation: 26.03.2019

TECHNOLOGISIERUNG & CHAOS

Die Skulptur wird zunehmend technologisiert und mediatisiert. Das Kollektiv baut weitere Elemente ein oder ersetzt alte. Sie haben die Sessel eliminiert.

Die Skulptur wird komplexer und vielgestaltiger, dabei aber auch chaotischer.
In der Probenkrise sehnen sich die Künstlerinnen nach Ordnung.

Nr. 3

 

  1. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 28.03.2019              

DIE (VER-)WANDLUNG

Inhaltlich bzw. methodisch spürt das Kollektiv neue Verbindungen mit der Skulptur auf, erkundet über die Sinne, ihre Geräusche (z.B. vom Waschbecken stammend) und die Oberflächenbeschaffenheit; all das wird  in die Stückgestaltung eingebunden. Ihren äußerlichen Charakter hat die Skulptur in der Anordnung der Elemente gefunden.

Das Kollektiv entdeckt die Skulptur als Installation, das Stück entwickelt sich zu einer neuartigen Installations-Performance.

Gabi: „Im Installationsteil braucht es nicht viel Text.“

Nr. 4

 

  1. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 02.04.2019                   

BELEBUNG & FUNKTIONALITÄT

Die Elemente der Skulptur (Podeste, div. Oberflächen) wurden vom Kollektiv mit einem einheitlichen Stoff tapeziert. Die Künstlerinnen weisen den Ebenen Funktionen und Bedeutungen zu.

Die Technik verbirgt sich zu einem großen Teil im Bereich des Waschbeckens (Mikros). Dieser Bereich erfährt eine zunehmende Aufwertung und entwickelt sich zur Steuerungseinheit.

Pia: „Die Bühne zum Leben bringen.“

Nr. 5

 

  1. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 05.04.2019                   

ERWEITERUNGEN & VERBINDUNGEN   

Eine zweite Technologisierung findet statt: 2 Bildschirme werden in die Skulptur eingebaut, eine Nebenmaschinen (sic!) aufgestellt und der Abwaschbereich technisch erweitert.

Johanna übernimmt in der Performance das Dirigieren:
Vom Waschbecken aus verbindet sie sich mittels der Technik (Mikrofon und Kamera) mit der Skulptur (über das Einfangen von Geräuschen und Bildern) und mit den anderen Performerinnen.

Das Waschbecken wird darüber hinaus inhaltlich zu einem Verbindungsstück dazu, was außerhalb der Skulptur liegen könnte (über den Abfluss).

Nr. 6

 

  1. Foto Bühne/Skulptur/Installation: 08.04.2019

KONKRETISIERUNG, STRUKTURIERUNG & LOGIK

Im Hintergrund wurden an den beiden geschlossenen Seiten schwarze Vorhänge angebracht, wodurch sich der Raum – Bühne und Zuschauer*innen-Bereich – noch deutlicher strukturiert.

Am technischen Schliff (Ton, Beleuchtung) wird gearbeitet.
Das Licht soll sich später besser mit den Kostümen verbinden.

Durch den Außenblick von Monika Klengel (Regisseurin in der Schlussphase) und Ed. Hauswirth (künstlerischer Leiter, TiB) kommt es im Kollektiv zu einer ersten konkreten Arbeit an der Verbindung (bzw. Differenzierung) von Installations- und Theaterlogik.

Nr. 7

 

  1. Foto: Bühne/Skulptur/Installation: 09.04.2019 (2 Tage vor der Premiere)

DAS WESEN

Die Skulptur ist technisch vollständig ausgestattet. Nun soll das Wesen der Skulptur, ihr spezieller Sound und das Licht in Verbindung mit der Performance noch einmal tiefergehend herausgearbeitet werden.

Ed., zunächst noch skeptisch: „Es ist nicht ein Theaterstück, es ist eine Skulptur; es ist zu fragen, ob ein*e Künstler*in einer Skulptur so ein Licht geben würde; es erscheint zu theaterhaft.“

Der Spagat gelingt den Künstlerinnen schließlich gemeinsam mit Monika Klengel in beeindruckender Weise: eine arbeitsintensive Entwicklung von der Bühne zur Performance-Installation.

Nr. 8

 

Karin Scaria-Braunstein