Eine kurze Geschichte der Probenzeit: FËST | TEIL I

Ein namhafter Regisseur (man sagt, es sei Ed. Hauswirth gewesen) geleitet das 4köpfige brachial-feministische Theaterkollektiv – Barbara Carli, Rosa Degen-Faschinger, Bea Dermond & Gudrun Maier – in das Licht einer Rabtaldirndln-Matriarchats-Vision. Das Stück schildert, wie das Patriachart um die Venus eiert und die hiesige Venus ihrerseits um den Mittelpunkt einer kleinen Ansammlung von Feministinnen kreist, die in dieser ländlichen Gegend zu Besuch sind und ganz tief graben. Kompromisslos. Da steht das Pariachart gehörig an der Kippe.

Die Begleitung zum FËST der Rabtaldirndln verläuft über 9 Proben, im Zeitraum von 23.04.2019 bis 18.06.2019. Diese Zeilen geben einen Einblick in die Ausgangslage und den Beginn des Entwicklungsprozesses – hin zu jenem rauschenden Fest, das im Hoftheater Hainersdorf am 19.06.2019 die ausgetragene Premieren-Geburt erlebte.

Karin Scaria-Braunstein

23.04.2019, RITUALISIERUNGSSPIELE, Probe Theater im Bahnhof

Die Idee zum Stück entwickelt der Regisseur im Zuge einer persönlichen Erfahrung beim Dachdecken in dörflicher Idylle. Solidarität und handwerklicher Fleiß scheinen dabei eine besondere Wertenuance innezuwohnen. Und auch die Frage nach (gemeinschaftlicher) Strafe treibt Ed. gerade intensiv an. So geht es schon zum Probenstart in die Vollen. Mit Schuld und Sühne adressiert der Regisseur an das unbarmherzige Gemeinschaftsgefühl der Dirndln, die sich für die Performance kontrastierend in unschuldiges Weiß hüllen werden.

FEST 1

Ein Ausdruck ländlicher Wertvorstellungen, Gemeinschaftssinn und Sanktionen, deren Herkunft und die mögliche Zukunft sollen in der Stückentwicklung über ein Rabtaldirndl-Narrativ entwickelt werden. Methodisch wird eingangs ein Konsens des rituellen Strafens gesucht, in mehreren Spielvarianten ausprobiert, verinnerlicht und über die soziale Form der Konkurrenz angefeuert. Rosi gewinnt haushoch einen Pseudo-Origami-Bastelwettbewerb und erhält dafür in konsequenter Manier eine Strafe.

Die (feministische Ur-)Gemeinschaft wird in diesem Stück in einer eigenen Rabtaldirndln-Sprache (noch holprig) zum Ausdruck gebracht, zweifelsfrei eine besondere Herausforderung. Dabei bildet sich die Sprache erst in der Interaktion mit dem Spiel aus, sie folgt keinen vorweg festgelegten Regeln, keinem Alphabet. Und erinnert zunächst doch stark an den Slang der Eidgenossen.

Die Dirndln selektieren anschließend in einem Kolloquium 10 Sampels von Momenten bzw. Phrasen, die in der Rabtaldirndlwelt feministische Macht und Materialität widerspiegeln, sie dienen einer ersten Annäherung einer Paradies-Vision:

Gudrun: Sich nach getaner Arbeit bedienen lassen.

Rosi & Gudrun: Den Rehbock auf der Lichtung stehen sehen und abdrücken.

Babsi: Im Stehen ludln.

Schon zu diesem Zeitpunkt kann erahnt werden: das wird gar nicht so einfach. Rosi summiert: „Das hat den Touch einer Nordic-Walkinggruppe“.

In den Arbeitsauftrag einer Walpurgisnacht-Impro tauchen die Performerinnen sofort ein. Die Dirndln eichen mit großem Entzücken Penisgrößen,

Babsi: Normierung wie bei Frauen, das ist der Gedanke.

Bea entledigt sich für den Hexentanz als Erste ihres Oberteils, Gudrun performt schließlich barbusig.
Ed. konstatiert: „Das wird dann doch wieder ein Skandal.“

08.05.2019, PFOSTEN, BODEN & SUPPE, Probe Theater im Bahnhof

Der archaische Festcharakter manifestiert sich im Boden, in einem Pfosten und in einer Brotsuppe. In dieser Probensession werden nicht zuletzt über die Symbole und Artefakte die unterschiedlichen Ebenen und ihre Verbindungslinien in der Performance sichtbar: die topgraphische, die historische, die gesellschaftliche, die gemeinschaftliche und die (inter-)subjektive. Der Regisseur bricht die vermeintlich ländliche Romantik, wenn sich sexuelle Energie mit dem Feminismus verbindet – aber alles zum richtigen Zeitpunkt.

Weiterhin steht auch auf dem Prüfstein, was bei den Rabtaldirndln verboten ist – im Prinzip ist in dieser Gemeinschaft alles gefährlich. Das Verbotene sollen sich die Dirndln dann auch gleich gegenseitig und bestenfalls aggressiv in einer Impro unterstellen. Alles ist ein explosives Wechselspiel von gemeinsam und gegeneinander, von Solidarität und Gegnerschaft.

Ed. sucht alsdann nach dem Muster und einer stabilen Struktur. An den provisorischen Pfosten (u.a. Symbol des Maibaums: das Ländlich Heiligen) gestellt, sollen sich die Dirndln abwechselnd den Blicken der Anderen und den Werten der Gemeinschaft aussetzen, Textbausteine dafür existieren bereits. Ed. wünscht sich an dieser Stelle „ein Eintauchen in die Oberflächlichkeit“ (das Profane). Neben der Dimension des Ursprungs tritt das Religiöse verstärkt in den Vordergrund der (Text)Gestaltung.

Musik (Flötenspiel) fundiert den Festanspruch mit einem naiv-herzhaften religiösen Touch. Babsi performt einen Paradies-Monolog, Bea vertieft sich in einen Göttinnen-Dämon-Text, den sie nach dem Vorbild von LILITH (aus der jüdischen Religionsgeschichte) ausarbeiten soll:

Ich bin das feministische Herz der Rabtaldirndln.

Beide Elemente entwickeln sich im weiteren Verlauf zu einem wichtigen Bestandteil von FËST.

Auch der Einstieg in die Performance hat bereits Konturen angenommen. Die Rabtaldirndln sitzen sich gegenüber, stellen sich vor, begrüßen und laden ein, sie begehen das FËST.

Ich bin die Marianna und ich mag die Leut.

Ich bin die Sonja und ich mag den Spruch und die Sprach.

Ich bin die Toni und mir tut die Luft so gut.

Ed. erklärt: „Die Herstellung passiert über den Subtext.“ – gleichzeitig aber soll das Publikum nicht überfordert werden. Texte sollen jetzt und in den kommenden Tagen erweitert werden oder sich fusionieren, da darf sich auch ein bisschen Besessenheit einmischen. „Wir machen unseren eigenen Horror.“

Der liturgische Rahmen verläuft für den Regisseur zwischen dem keltischen Fest und dem heutigen Maibaum. Der Boden ist Kultstätte.
Flyer werden demnächst gedruckt, Rosi wird zum Covergesicht ernannt. Einstimmig ausgewählt von den Rabtaldirndln. Und trotzdem gibt’s für so viel Eitelkeit eine Strafe. Das Spiel wird durchgezogen.

Weitere Infos und Termine:

https://dierabtaldirndln.wordpress.com/

Konzept & Umsetzung Die Rabtaldirndln und Ed. Hauswirth RegieEd. Hauswirth SchauspielBarbara Carli, Rosa Degen-Faschinger, Bea Dermond, Gudrun Maier Technischer Support Nina Ortner und Susanne Koller Dramaturgie/Bühnenbild/MaskeGeorg Klüver-Pfandtner Sound Benno Hiti Fotocredits Nikola Milatovic