Querfeldeingetaucht in 15 Jahre Rabtaldirndln

Erkenntnisse über den mörderischen Anfang einer Busen-Performance, kollektive Wandelbarkeit, inspirierende Wut – und den gelernten Schusswaffengebrauch. Aber immer mit dem Publikum.

Karin Scaria-Braunstein im Gespräch mit:

Gudrun Maier, Die Rabtaldirndln

Präludium: Mai 2018. Wir treffen uns an einem wolkenbehangenen Abend in einer gemütlichen Pizzeria in der Grazer Innenstadt. Die Kellnerin schaltet die Musik leise.

Karin: Warum sind die Rabtaldirndln ein Kollektiv?

Gudrun: Es ist lustig, weil man ja sagt, beim Kollektiv gibt es keine Chefin. In einer gewissen Weise stimmt das auch total. Für die Themenfindung kommt jemand mit einer Idee, aber es wird immer im Kollektiv entschieden. Du kommst nicht durch mit etwas, wenn nicht alle dafür sind. Das Solo MEIN LEBEN IST EIN TRAUM ist eine Ausnahme. Das ist dadurch bedingt, dass plötzlich ganz viele Kinder daher gepurzelt sind. Zwei der Dirndln hatten Säuglinge daheim, und das Jahr davor haben wir außerdem besonders viel produziert. Da kam der Wunsch auf, heuer nur eine Produktion zu machen. Aber ich hab‘ keine Kinder. Und was die Förderung und die Aufmerksamkeit betrifft, bist du mit nur einem Stück unterhalb der Wahrnehmungsgrenze. Ed. [Hauswirth] und ich wollten immer schon ein Solo machen und das war jetzt ein guter Zeitpunkt. Normalerweise sind wir immer mindestens zu Viert auf der Bühne; und auch dort sind wir gleichberechtigt. Es gibt nie eine Hauptrolle im klassischen Sinn. Es gibt stets das Anliegen des Themas und dieses Thema präsentieren wir dann zu Viert, oder manchmal zu Fünft. Bei den organisatorischen Belangen bin ich unter Anführungszeichen die Geschäftsführerin, die den Überblick hat, die Buchhaltung macht und die Förderansuchen und Fristen im Auge behält. Babsi kümmert sich um die Gastspiele. Rosi macht ganz oft Produktionsleitungen. Es gibt also schon eine klare Aufteilung zwischen uns, die vielleicht einem Kollektiv widerspricht. Aber es macht halt keinen Sinn, wenn vier Leute bei der Buchhaltung sitzen [lacht]. Das Kollektiv steht für das Künstlerische und für die gemeinsam transportierten Themen.

Karin: Und weshalb steht ihr zumeist nicht alle auf der Bühne?

Gudrun: Die Gerda ist in Wien. Ihr Antrieb war nie so sehr das Spielen, sondern die Themen und das Konzipieren. Das macht sie auch weiterhin, da ist sie für mich ein Anker. Für die Gerda war es keine berufliche Option, vom Spielen leben zu wollen. Jetzt ist sie bei Wien Modern Produktionsleiterin. Dennoch springt sie immer wieder ein. Wir sind zum Beispiel mit DU GINGST FORT in Sri Lanka auf ein Festival eingeladen und die Bea bekommt wieder ein Baby – da übernimmt Gerda jetzt Beas Rolle und fährt mit.

Karin: Sri Lanka, das beeindruckt – wie ist es denn dazu gekommen?

Gudrun: Es gibt DAS Festival der Freien Theatergruppen: „Impulse“. Dort waren wir voriges Jahr. Und vom Goethe Institut war eine Damenrunde unterschiedlicher Destinationen anwesend. Rosi wurde angesprochen, dass überlegt werde, in welches Land die Rabtaldirndln geschickt werden sollten. Rosi hat gesagt: „Wir fahren überall hin“. Und hat schließlich die Runde noch einmal angeschrieben, worauf sich die Dame aus Sri Lanka gemeldet hat. Sie hat es dann in die Wege geleitet, dass wir auf diesem, internationalen Festival spielen können, in Colombo.

Karin: Auf Deutsch? Oder adaptiert ihr das Stück?

Gudrun: Für Impulse gab es schon eine englische Übersetzung. Aber wir haben jetzt eine Mischform: Alle Passagen, die direkt an das Publikum gehen sprechen wir in Englisch. Für DU GINGST FORT haben wir ganz viel Interviews geführt mit Leuten, die das Land verlassen haben und da wäre eine Englischübersetzung total schade, weil sie so viele Färbungen haben. Wenn es um das Österreichische geht hört man oft: die Sprache, die Sprache! Selbst die Deutschen sagen, dass sie das Österreichische so gerne hören. Im Ausland reden alle nur noch Englisch. Wie beim Song Contest: als Kind habe ich den Song Contest aufgrund der unterschiedlichen Sprachen geliebt. Und jetzt interessiert es mich nicht mehr. Darum sprechen wir mit dem Publikum auf Englisch, die O-Töne aus den Interviews bleiben aber auf Deutsch, mit englischer Übersetzung.

Karin: Zum Publikum. Ist die Einbeziehung Teil eures generellen Konzeptes?

Gudrun: Wir sehen uns als Theaterkollektiv, haben immer aber auch performative Elemente drinnen. Wo das Publikum reagiert, wo man sich nicht sicher sein kein, ob das funktioniert oder nicht. Bei DU GINGST FORT wird Schnaps verteilt, es gibt ein arges Klatschspiel und Rätsel.

Karin: Wie viel Spontanität ist da dabei?

Gudrun: Die Interaktion ist spontan, die Art der Interaktion ist fixiert.

Karin: Bei MEIN LEBEN IST EIN TRAUM fiel mir deine Interaktion mit dem Publikum auf. Ich hatte dadurch das Gefühl, von dem was du zeigst und thematisierst noch viel intensiver betroffen zu sein. Ich wurde schlichtweg mithineingezogen.

Gudrun: Es gibt bei uns auch nie diese vierte Wand des Theaters, sondern immer diesen direkten Kontakt mit dem Publikum. Das ist uns wichtig, dass wir nichts vorspielen, dass wir die Verbindung haben mit dem Publikum. Wahrscheinlich eh aus dem Grund, das macht noch einmal etwas anderes.

Karin: Ich habe nicht nur zugeschaut, sondern fühlte mich von deiner Figur in gewisser Weise persönlich mitbetroffen. Da findet man bei euren Themen vermutlich immer einen Bezug.

Gudrun: Genau. Babsi macht einen Theaterkurs für Studentinnen, von denen sie dann Kritiken zugeschickt bekommt. Da hat eine junge Studentin geschrieben: am Anfang hat sie sich gedacht, was sie mit dem Thema einer Frau soll, die auf dem Land lebt und Kinder hat. Aber irgendwann war das egal, da fand sie eine Verbindung zu ihrem Leben.

Karin: Da ertappt man sich auch ein bisschen selber. Wo man zuerst drüber schmunzelt, als Städterin über das Landleben, weil man denkt, man stünde da vielleicht drüber. Und auf einmal merkt man: so ist das aber nicht. Ist das Auflösen von Stadt-Land-Grenzen bewusst inszeniert?

Gudrun: Ja. Weil wir viel am Land spielen ist uns wichtig, dass wir uns nicht über die Landbevölkerung drüber stellen wollen. Wir wollen in der Stadt nicht über das Land lachen und am Land den Leuten nicht vorführen, wie deppert sie wären. Das ist immer ein Faden durch unsere Stücke. Wir spitzen zu, aber wir spitzen auch die Stadt zu. Es kriegen alle ihr Fett ab. Es ist keine Bewertung. Babsi sagt immer: „Der Gudrun ihre Mama muss damit etwas anfangen können“. Das heißt nicht, dass es ihr gefallen muss. Sie ist sowas wie die moralische Instanz [wir müssen beide lachen]. Meine Mama kann meistens etwas anfangen damit. Außer, ich bin nackat  auf der Bühne, das versteht sie nie. Aber vom Inhaltlichen ist immer ein Verständnis da.

Karin: Wie geht’s dir damit, wenn die Mama kritisiert, dass du nackat auf der Bühne stehst?

Gudrun: Ich lade sie eh nicht mehr ein. Es ist total lustig: die Mama wartet, lade ich sie ein oder nicht. Und wenn ich sie nicht einlade, dann weiß sie…  Im Stück EINKOCHEN – DIE GENERALVERSAMMLUNG sammeln wir ganz viele Marmeladen ein und am Ende veredeln wir sie, indem wir nackt in eine Zinnwanne steigen, in die alle Marmeladen geschüttet wurden, um mit unserer Energie die Marmeladen aufzuwerten. Und dann verkaufen wir sie ganz teuer. Da brauch ich die Mama nicht einladen. Nackat in eine Marmelade hineinsteigen, das geht nicht [wir lachen beide herzhaft]. Wenn’s nicht ich wäre… Das Stück würde ihr wahrscheinlich gefallen, weil es um die Wertigkeit der Frauenarbeit am Land geht. Aber das wird überschattet von der Tochter, die da nackat in die Marmelade steigt.

Karin: Eure Themen sind enorm lebensnahe und dennoch: darauf muss man erst einmal kommen. Wie kommt’s denn dazu?

Gudrun: Wir feiern gerade 15 Jahre Rabtaldirndln, das ist auch das nächste Stück. Da haben wir uns selber überlegt, wie wir eigentlich zu unseren Ideen kommen. Es ist immer unterschiedlich.

Karin: Wenn du selber Themen einbringst: woraus entspringen sie?

Gudrun: Im Stück SCHWARZE WOLLE treiben wir uns den Katholizismus aus. Wir finden unsere eigenen Rituale in einer Welt, in der du nicht mehr Kirchenmitglied bist. Ersatz für Taufe, Erstkommunion, Hochzeit. Da fällt alles weg. Es ist dann ganz schwierig, Rituale zu finden. Ausgangspunkt war der Kirchenaustritt eines Dirndls. Im Endeffekt sind wir aber in dieser Welt aufgewachsen und natürlich haben wir diese Werthaltungen, die da auch wichtig sind. Aber wir wollten ein Stück machen, in dem sich die Rabtaldirndln die schwarzen Wurzeln ausreißen. Darauf gekommen bin ich, weil ich mir Jesus Christ Superstar angehört habe. Da habe ich noch eine Platte aus meiner Jugend und kam auf die Idee: Die Rabtaldirndln reißen sich ihre schwarzen Wurzeln aus mit Hilfe von Jesus Christ Superstar, einem Musical. Übrig blieb: wie wird man den Katholizismus los; wie schaut die Rabtaldirndln-Welt aus, welche Rituale haben sie.

Karin: Und was war die Antwort?

Gudrun: Es war ein Einkehrtag. Wir laden Leute auf den Hof ein, um Einkehr zu halten. Es gibt unsere Werthaltungen, wie „Der Stärkere gewinnt“, „Weggeschmissen wird nichts“, „Der Gebrauch von Schusswaffen will gelernt sein“. Das wollten wir den Leuten indoktrinieren. Bei der Austreibung halten sie mich auf der Bühne unter Wasser, singen dabei G‘Stanzln und je mehr G‘stanzln sie singen können und je länger ich unter Wasser bleiben kann, desto besser bin ich dann gereinigt. Aber das ist schon so lange her…

Karin: Es gab also deine Grundidee. Und die Ideen für die Umsetzung entwickelt ihr dann im Kollektiv?

Gudrun: Genau. Wir haben meistens auch jemanden von Außen dabei. Wenn wir alleine arbeiten, ist das wahnsinnig anstrengend. Bei den Proben bist du auf der Bühne und musst aber gleichzeitig Entscheidungen treffen. Darum haben wir jemanden, der mit uns diesen Prozess geht. Beim aktuellen Stück ist  Monika Klengel vom Theater im Bahnhof [TiB] dabei. Da hatten wir am Anfang eine Probenphase, dann war sie weg, dann ist sie wieder dazu gekommen. Es ist eine Mischform.

Karin: Versucht ihr die formalen Prozesse auszulagern? Oder welcher Teil wird ausgelagert, nachdem ihr die Konzeption gemacht habt?

Gudrun: Meistens ist die Person schon in der Konzeptionsphase dabei. Das Auslagern ist eigentlich die Frage: was bleibt und was kommt weg, wo geht es wirklich hin.

Karin: Also die Verkürzung des Stücks.

Gudrun: Ja. In INSIDE RABTAL geht es um 15 Jahre. Was nimmt man da hinein? Wie viele Fördergelder geflossen sind? Oder die schönsten Momente oder wie wir auf Ideen kommen? Das ist ein unglaubliches Feld. Mit der Moni und uns kommt es dann immer mehr zur Zuspitzung. Wo es dann wirklich hingeht.

Karin: Da müsst ihr dann einen Konsens finden?

Gudrun: Genau, und dann geht es auch. Bei INSIDE RABTAL hat es einige Zeit gedauert, bis wir diesen Konsens gefunden haben. Da gibt es Proben, wo viel ausprobiert wird, aber es ist noch nicht rund. Wir mussten jetzt schnell herausfinden, wo es hingehen soll. Und das haben wir jetzt auch geschafft. Seitdem ist es nur noch zuarbeiten und das ist einfach, weil alles auf das Thema hinzielt und man plötzlich inspiriert ist. Wenn nicht mehr alles möglich ist.

Karin: Wie lange läuft dieser Prozess für das Stück schon?

Gudrun: Die Konzeptionsphase seit Oktober [2017] und das Proben seit Jänner [2018]. Im Februar/März hatten wir eine Intensivprobenphase, dann noch eine und nun die letzte. Aber der Anfang ist immer lustig. Z.B. für DU GINGST FORT wollten wir etwas für die Wiener Festwochen machen. Gerda hat gesagt: ich wohn jetzt in Wien und fahr immer noch zum Zahnarzt nach Gleisdorf. Die Netzwerke hat sie nicht in Wien. Frisör geht sie auch am liebsten in Gleisdorf, da weiß sie, woran sie ist. Selbst der Steuerberater ist immer noch in Gleisdorf. Da kamen wir zum Gedanken: Du bist in der Stadt und kommst trotzdem nicht vom Land los. Irgendwann kam das Thema der Landflucht dazu. Schauen wir uns einmal an, was die Leute zu erzählen haben, die gegangen sind. Jedes Dirndl hat eine Person aus ihrem Umfeld befragt, die vom Land in die Stadt gegangen ist und hat Kärtchen vorgelegt, auf denen 30 Begriffe standen: „Verlust“, „Verrat“ oder „Kernöl“ zum Beispiel. Die Person hat dazu frei assoziiert und wir haben das transkribiert. Das war der Ausgangspunkt des Stücks.

Karin: Das ist alles sehr nahe bei euch, an euren Erlebnissen, unter Einbeziehung anderer Personen.

Gudrun: Ja, und da haben wir dann das Fahndungsformat Aktenzeichen XY daraus gemacht. Wir fahnden nach den Gründen des Weggangs.

Karin: Ist ja wirklich bemerkenswert, dass die Menschen wegziehen und dann doch zum Frisör zurückkehren. Eure Verknüpfungen sind sehr spannend.

Gudrun: Das kommt daher, dass wir fast alle ländlichen Gegenden kommen. Bea ist die Einzige, die Grazerin ist. Sonst haben wir alle einen Landbezug. Rosi hat für das neue Stück ursprünglich einen Monolog geschrieben, in dem sie darlegt, dass sie ihre Inspirationen aus den Besuchen Zuhause findet. Sie hat eine Art Hass-Liebe zu ihrem Vater. Sie war danach durch diese Wut immer wahnsinnig inspiriert. Das ist bei allen so: der Kontakt zum Land ist nicht abgebrochen. Deshalb schauen wir nicht von oben herab. Ich habe einen Bauernhof in der Oststeiermark geerbt und ich bin auch ganz oft bei meinen Eltern. Wir sind weggegangen, aber wir kehren immer wieder zurück. Diese Themen interessieren uns einfach.

Karin: Emotionale Themen; wenn du sagst, es entsteht etwas aus der Wut. Hast du das auch, dass du die emotionalen Erlebnisse zuerst aufschreibst?

Gudrun: Ich bin nicht so die Schreiberin. Wenn ich einen Auftrag bekomme schreibe ich und bin dann selber überrascht, ich kann eh ein bisschen schreiben. Bei den Liedtexten ist es etwas anderes. Das geht. Texte aus einer Emotionalität heraus schreiben, das macht die Rosi.

Karin: Also habt ihr unterschiedliche Zugänge, euch den Themen zu nähern?

Gudrun: Ja und wir stellen uns auch gemeinsame Aufgaben, etwa bei ABREISSEN, mit einem Irischen Spiel: Du wirst als Bub geboren, ist alles gut. Du wirst als Mädchen geboren, hast du zwei Möglichkeiten. Das kann man ewig spielen. Für das Stück, in dem es um Werthaltungen in Stadt und Land geht, schreiben wir alle so einen Möglichkeiten-Text mit dem Ausgangspunkt: Du wirst am Land geboren oder du wirst in der Stadt geboren. Der Ausgangspunkt ist bei allen Dirndln gleich, aber die Texte sind so unterschiedlich.

Karin: Noch einmal zum Kollektiv. Da hast in einem Interview einmal gesagt, auf der Bühne hättest du eine Maske auf.

Gudrun: Das sind diese fiktiven Rabtaldirndln-Figuren. Ich bin die Gudrun, aber ich bin auch die Marianna. Es gibt die Babsi, aber es gibt auch die Renate. Die Figuren leben autonom und unabhängig in einer Schänke. Und es gibt eine Geschichte der Frauen. Die sind manchmal mehr und manchmal weniger auf der Bühne. Im ersten Stück ist es um diese fünf Frauen gegangen, die am Land ein Gasthaus führen. Das waren Rollen. Jetzt ist es manchmal mehr, manchmal weniger, aber sie sind immer irgendwie da. Ich bin nie als Gudrun auf der Bühne. Bei MEIN LEBEN IST EIN TRAU bin ich die Esther und dann doch die Marianna, die sich das alles zusammenträumt. Bei den anderen Stücken sind es die Rabtaldirndln als Kunstfiguren, eine Blase.  Man hat immer diese Kunstfiguren auf der Bühne.

Karin: Und zusätzlich das Kollektiv, oder?

Gudrun: Es ist eher das Kollektiv der Rabtaldirndln, das auf der Bühne ist, als die Marianna als Figur mit Aufgaben. Das war am Anfang so. Die Sonja war die Chefin, ich war die Schwester der Chefin, die Babsi war ein bisschen das Sozialprojekt, die Eva war die, die die Chefin ablösen wollte. Schon beim zweiten Stück ging es eher um das Kollektiv Rabtaldirndln, die sich für die Frauen einsetzen oder sich für ein Thema stark machen. Die einzelnen Figuren haben Namen, aber nicht so eine Wichtigkeit.

Karin: Es wird dann innerhalb des Kollektivs flexibler. Du bist nicht fix in einer Rolle.

Gudrun: Genau. Aber es ist super, dass wir trotzdem durch diese Kunstfiguren geschützt sind. Dass ich nicht als Gudrun die Babsi fertig mache. Bei DU GINGST FORT machen wir uns die ganze Zeit gegenseitig fertig. Da geht es darum, dass es am Land angeblich so eng ist. Wir blatteln das auf, aber im Kollektiv sind wir auch nicht besser. Mit den Kunstfiguren kannst du alles auf einer anderen Ebene stellen. Bei ABREISSEN habe ich einen ganz argen Ausländer-Monolog, wo man sich denken würde: ist das eine Rolle? Es ist ganz klar, dass nicht ich das sage.

Karin: Einerseits ist viel von euch selber drinnen. Emotionalitäten, familiäre Bezüge, viele Selbstreflexionen. Zusätzlich sehr viel Körperlichkeit. Und andererseits der Schutz des Kollektivs und der Fiktionen. Finde ich aufregend. Wie seid ihr überhaupt auf die Idee gekommen, dass das eine Option ist. Das wirkt ja alles sehr rund, was ihr macht. Eure Produktionen haben eine wiedererkennbare Ästhetik, die Themen sind sehr klar. Aber wie seid ihr auf die Idee gekommen, dass das überhaupt eine Möglichkeit ist?

Gudrun: Wir sind da hinein gerutscht. Die Babsi hat schon lange im TaO! als Theaterpädagogin gearbeitet. Ich habe Pädagogik studiert, die Rosi hat Lehramt studiert, aber alle haben wir im TaO! Kinder- und Jugendtheater gemacht. Die Rosi und ich wollten dann auch selber spielen und selber erleben. Die Babsi, die Rosi und die Gerda kennen sich schon von der Theatergruppe in der Schule, ich bin vom TaO! dazu gekommen. Zuerst waren wir in einer Impro-Gruppe, das hat uns nicht befriedigt, wir wollten proben und ästhetisch arbeiten, Inhalte transportieren. Der Ed. war damals Landesspielberater und hat die Babsi und mich angesprochen, er würde gerne mit uns ein Stück machen. Wir wollten dann zu Viert als Krimileserinnen ein Stück über mordende Frauen machen. Mein Onkel ist Polizist, der für sich selber jahrelang alle Zeitungsartikel zu Morden in einer Mappe gesammelt hat. Da war ein Mordfall beschrieben, wo eine Frau ihrem Mann in einem Gasthaus auf der Geburtstagsfeier ins Gesicht geschossen hat. Bitte, was muss da passiert sein, dass die Frau so eine Wut auf den Mann hatte, ihn vor allen Leuten auf der Geburtstagsfeier zu erschießen. Da sind die Dirndln entstanden, die ein Gasthaus besitzen. Das Stück spielt in dem Gasthaus, in dem die Frau den Mann erschossen hat. Wir erzählen die Geschichte von dieser Gitti, so haben wir sie genannt, wie es dazu kam, dass sie den Hermann erschießen muss.

Karin: Und warum „Rabtaldirndln?“

Gudrun: Davor war im TaO! ein Wettbewerb, der hieß, glaub, ich „Short Cuts“. Die Babsi und ich wurden gebeten, da mitzumachen. Es gab 10minüter und eine Jury, die Gewinnerinnen kürte, die dann eine ganze Produktion machen durften. Wir haben die Gerda und die Rosi gefragt, wollten aber alle nicht gewinnen, da wir über den Sommer keine Zeit gehabt hätten, ein Stück zu machen. Das kurze Stück sollte nicht ganz schlecht sein, aber antun wollten wir uns auch nichts. Dann haben wir eine Busen-Performance gemacht. Weil wir nicht verstanden haben, warum sich die Leute im Theater im Bahnhof die ganze Zeit ausziehen. Dann fanden wir es lustig, dass wir uns nun ausziehen, mit Still-BHs. Allen ist das Ladl heruntergefallen, mussten dennoch lachen, weil es extrem lustig war. Zwei Männer in der Jury haben das aber ganz fürchterlich gefunden. Ich glaube, wir sind sogar aus der Wertung geflogen. Da brauchten wir auf jeden Fall für ein Formular schnell einen Namen. Wir sind ja alle aus dem Raabtal und ich fand es lustig, dass wir uns wie diese volkstümliche Musikgruppe nennen.

Karin: Das sind auch Vier, oder?

Gudrun: Das sind auch Vier, genau. Und ich kenn‘ das vom Schulbus fahren: Die Raabtal Dirndln mit „Kilimandscharo“.

Karin: Also hat es wirklich diesen Bezug.

Gudrun: Es hat wirklich diesen Bezug. Allerdings haben die Babsi und die Gerda die Raabtal Dirndln nicht gekannt. Dann haben wir für das Stück mit Ed. „Halbdruch Ganzdruch Tot“ die Raabtaldirndln beibehalten, aber das eine A weggetan, damit sich die „echten“ Raabtal Dirndln nicht aufregen können.

Karin: Kam es einmal zu einem Kontakt?

Gudrun: Ja. Da haben wir AUFPLATZEN auf der Probebühne gespielt und eine ganz schlechte Kritik, einen Verriss bekommen, von jemanden, der eigentlich über bildende Kunst schreibt. Dann kam ein Kommentar von Amalia Pfundner auf unsere Homepage, dass die Raabtal Dirndln nun wüssten, warum wir ihren Namen gestohlen hätten, um auf ihren Erfolg aufzuspringen; weil wir selber offenbar nichts zusammen bringen, wie jetzt in der Kleinen Zeitung zu lesen wäre. Wenn wir den Namen nicht ändern würden, dann hätte das rechtliche Konsequenzen. Das war an einem Punkt, wo wir bei „Freischwimmer“ waren, unterwegs in Deutschland und der Schweiz. Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn wir da den Namen hätten ändern müssten, wo wir gerade bekannt geworden sind. Wir fragten bei einem  Rechtsanwalt nach. Da der Name nicht geschützt war und sich die Raabtal Dirndln offiziell 2002 getrennt hatten, gab es für sie keine rechtliche Handhabe. Ich habe ihnen dann geschrieben, dass wir etwas ganz anderes machen und wir haben sie zu einer Aufführung eingeladen. Es kam zu einem E-Mail-Austausch und die Kommunikation wurde netter. Mittlerweile ist es bestimmt klar, dass das ganz etwas anderes ist. Und vielleicht freuen sie sich, dass sie immer wieder von den Rabtaldirndln hören. Und wir dichten immer wieder Schlager von ihnen um, die spielen öfter eine Rolle.

Karin: Diese Provokation des Ausziehens habt ihr euch dann aus den Anfängen mitgenommen?

Gudrun: Ich finde es lustig, dass sich die Leute davon provoziert fühlen. Am Land ziehen wir uns nicht aus, da bist du schon ausgezogen, wenn du mit Unterleiberl und Unterhose da sitzt. Da sagen die Leute, wir sind immer nackat, dabei kommt das nur in wenigen Stücken vor. Bei SCHWARZER WOLLE gibt es ein [Marina] Abramovic Nachstell-Video zu einem umgedeuteten Fruchtbarkeitsritual, da sieht man Brüste. Und bei EINKOCHEN sind wir nackt. Sonst nicht. Und wir haben trotzdem diesen Ruf. Gleich, wie Theater im Bahnhof wahrscheinlich auch nicht immer nackt war.

Karin: Aber in eurer Wahrnehmung war es so [wir lachen].

Gudrun: Ich hab mit Nacktheit kein Problem. Aber ich merke, dass man vorsichtig sein muss.

Karin: Das habt ihr ja bei der Short-Cut Sache erlebt, dass die beiden Herren gleich schockiert waren.

Gudrun: Ja, und wir haben auch keine Modell-Körper. Und das provoziert auch. Am Land, manchmal, in der Unterwäsche. Wenn in der Unterwäsche, dann soll es doch schön sein. Und wir haben dann ganz bewusst alte und ausgeleierte Unterwäsche an.

Karin: Ist das am Land schon noch schlimmer?

Gudrun: Wir haben in Dresden gespielt, da war das voll das Thema, bei Männern vor allem. Die sind danach hergekommen: Warum die Nacktheit bei diesem Thema. Warum so schirche Unterwäsche. Warum nicht sexy. Das würde dann wieder gehen. Aber wenn du breitbeinig da sitzt und Pfeife rauchst…

Karin: Was antwortet ihr auf solche Fragen?

Gudrun: Bei DU GEHST FORT geht es um Zerbrechlichkeit. Wir spielen die harten Weiber. Wenn du in dieser Unterwäsche bist, hat das aber etwas Zerbrechliches und Angreifbares. Und das sind wir dann auch. Das kommt bei den Leuten dann auch an. Das macht ein anderes Bild, in diesem Kostüm.

Karin: Warst du davon schon einmal persönlich betroffen oder ist es immer die Performance auf der Bühne?

Gudrun: Ich war auch Aktmodell. Aber ich merke, je älter ich werde… In Hainersdorf gibt es ein Schwimmbad. Schwimmbad ist ein großes Wort, es ist ein herausbetoniertes Becken. Dort gibt es auch die Eisschützen, eine Asphaltbahn. Ich bin dort immer schwimmen gegangen. Aber je älter ich werde, desto mehr hab ich dann plötzlich so ein Schamgefühl, mich auszuziehen, wenn da so eine Männerriege sitzt und Bier trinkt. Vor zwei Jahren ist mir das aufgefallen und ich hab‘ mich gefragt, was da jetzt passiert, warum ist mir das unangenehm.

Karin: Ein schönes Thema für ein neues Stück. Auf der einen Seite bist du die Offenheit gewohnt; auf der anderen Seite – und das ist sicher keine Seltenheit – ist dir das vor diesem Männerkollektiv unangenehm.

Gudrun:  Genau, da hat man so ein Gefühl, ausgestellt zu sein. Ich steh nackat auf der Bühne und habe nicht das Gefühl.

Karin: Im Schwimmbad bist du Privatperson.

Gudrun: Die kennen mich dort schon lange. Und dann laufen Schmäh‘, die laufen aber immer: „Nur wennst dich ausziehst, machst mich glücklich“. Da denk ich mir sonst: „passt schon“. Aber seit zwei Jahren…

Karin: Habt ihr das Gefühl, dass ihr mit euren Stücken immer radikaler werden, immer noch ein Schipperl drauflegen müsst?

Gudrun: Provokation ist gar nicht so das Thema, sondern was uns interessiert. Als die ganzen Kinder daher gepurzelt sind, war es das Muttersein und das Aufreiben zwischen Beruf und Familie. Es geht uns schon um Themen, die relevant sind, aber nie darum, den Daumen extra draufzudrücken. Das passiert dann damit, wie wir mit den Themen umgehen.

Karin: Wächst ihr auch dran, am Kollektiv, könnt immer mutiger werden? Habt ihr das Gefühl, dass von Seiten des Publikums die Erwartungen steigen?

Gudrun: Ja. Beim nächsten Stück bin ich gespannt. Bei ABREISSEN sind viele Menschen raus gegangen und haben gesagt wow, das war inhaltlich total scharf, die Blauen gegen die Grünen bei der Bundespräsidentenwahl, die auseinandergehenden Werthaltungen. Ästhetisch war es eine Mega-Modenschau. Da hatte ich den Eindruck, dass alle paff waren. Das war über die Rabtal-Stücke noch einmal ein Stück drüber. Und jetzt bin ich beim nächsten gespannt. Bei MEIN LEBEN IST EIN TRAUM hatte ich bei manchen Kolleginnen den Eindruck, dass sie das ein bisschen oberflächlich, als Sommertheater empfunden haben. Ich weiß nicht, warum das bei manchen so ankommt. Vielleicht weil sie sich nicht so darauf einlassen wollen? Dabei habe ich Leute erlebt mit Tränen in den Augen, junge Väter, die gesagt haben: Um Gottes Willen, jetzt versteh ich das. Das hat mich überrascht. Was passiert da grad?

Karin: Das ist schon die Frage: Was geht auf bei den Leuten.

Gudrun: Ja, genau. Bei uns hat man natürlich gewisse Erwartungen und man will da nicht drunter sein.

Karin: Weil die Einbeziehung des Publikums schon was öffnen soll, wahrscheinlich? Das ist eine Erwartungshaltung von euch – und die Erwartungshaltung des Publikums kommt hinzu.

Gudrun: Bei LUSIE, 37 war einen Freundin zuschauen. Inhaltlich hat ihr das gefallen, sie war auch der Ausgangspunkt für das Stück. Immer wenn wir uns getroffen haben, hat sie erzählt, welchen Stress sie hat mit zwei Buben, zum Fußballtraining bringen, dann arbeiten fahren. Fußballmütter fanden wir spannend. Thematisch hat es ihr gefallen, aber es war ihr fast ein bisserl zu zahm. Wenn das dann einmal nicht erfüllt wird, dass man mit dem Publikum scharf wird.

Karin: Aber das Spielen mit den Erwartungen ist sicher auch prickelnd.

Gudrun: Ja, eben, bei INSIDE bin ich schon gespannt. Es ist ganz oft bei uns die Frage, wie lange diese Dirndln funktionieren. Ganz am Anfang gab es ein Stück, in dem es überhaupt nicht um die Dirndln gegangen ist und ein weiteres, das wir mit der Moni gemacht haben. Bei AUFPLATZEN sind wir wieder zurückgekommen. Seitdem war es immer Teil und nun ist es klar, dass wir als Rabtaldirndl auf die Bühne gehen.

Karin: Die Rabtaldirndln als Marke?

Gudrun: Ja, und wir denken uns manchmal, dass wir ein geschriebenes Stück spielen möchten. Aber auch dann werden wir als die Rabtaldirndln wahrgenommen werden. Die Babsi und ich haben mit der Verena Kiegerl und der Susanne Lipinski „Casanova“ gespielt. In der Zeitung stand dann: Zwei Rabtaldirndln gehen fremd. Wir werden es nicht mehr los.

Karin: Ist dir das recht?

Gudrun: Ich find‘ das cool. Wir sind 15 Jahre zusammen und das ist schon eine große Leistung. Weil diese Dirndln einen Rahmen bilden, von dem aus wir total kreativ sein können. Wenn alles möglich ist, was tut man dann? Wir haben einen gesetzten Rahmen, von dem aus trotzdem viel möglich ist.

Karin: Was bedeutet es dir, auf der Bühne zu stehen, was bedeutet dir Theater zu spielen?

Gudrun: Eine große Leidenschaft. Obwohl es wahnsinnig anstrengend ist. Nach MEIN LEBEN IST EIN TRAUM bin ich streichfähig. Wenn das Publikum da ist, geht die Post ab. Manchmal geht es natürlich besser, manchmal schlechter. Aber ich habe einen Spaß daran, etwas vor Publikum zu tun. Wenn ich aber weiß, ich muss MEIN LEBEN IST EIN TRAUM spielen, kann ich alles andere vergessen, da brauch ich nichts ausmachen.

Karin: Aber es ist wahrscheinlich nicht nur das Körperliche, oder?

Gudrun: Nein, es ist viel weniger das Körperliche. Es dauert 1 Stunde 25 Minuten, wenn ich mir Zeit lasse. Wenn ich nichts tu‘, passiert nichts. Wenn ich nicht spreche, wenn ich nicht mit dem Publikum in Kontakt bin, dann ist nichts. Und das ist mir Gott sei Dank erst bei der Prämiere bewusst geworden.

Karin: War das das erste Mal, dass du alleine gespielt hast?

Gudrun: Mhm. Wie ich das erste Mal alleine dort gestanden bin, hatte ich einen Hänger. Und dann habe ich mir gedacht, wird schon wieder kommen. Dann hatte ich wieder einen Hänger. Aber die Figur ist eh ein bisserl schräg. Das hat sogar gepasst, dass ich da ein wenig neben mir gestanden bin.  Nach dem Abend bin ich trotzdem im Innenhof mit Weinkrampf zusammen gegangen. Da war ich froh, dass ich die Premiere hinter mir hatte. Das lag aber gar nicht an den Hängern sondern an der Erkenntnis, dass wirklich alle auf mich schauen und wenn ich nicht liefere, dann passiert nichts.

Karin: Beim Solo ist das doch sicher auch eine andere Beziehung zum Publikum.

Gudrun: Da kannst du dich auch nicht ausrasten. Wenn du mit den anderen auf der Bühne bist und etwas passiert, sind alle da. Beim Solo-Programm habe ich mir eine akribische Liste geschrieben, über das Bühnenbild, was ich wo hinlegen muss. Die gehe ich immer vorher durch.

Karin: Da hast du eine umfangreiche Leistung zu vollbringen: Du singst, du spielst, du musst die anderen Figuren ins Stück einführen und sie mitspielen, das muss ein wahnsinniger Aufwand sein.

Gudrun: Da probt man auch hin. Es ist zum Beispiel nicht so, dass ich einen Text bekomme und den lernen muss. Das entsteht alles aus einer Situation heraus. Zuerst improvisierst du einen Anfang, dann war die Rosi dabei, die  Texte geschrieben hat. Das sind alles Portiönchen, da hantelt man sich dahin. Für mich ist der Ed. wichtig, um zu besprechen, wie es zusammenpasst. Bei DAS LEBEN IST EIN TRAUM haben wir uns auf „Black Mirror“ für die Bewertungen der Esther bezogen. Das ist dann der rote Faden. Die Frau, die ständig muss.

Karin: Ich hatte auch das Gefühl, die Figuren gut emotional fassen zu können. Obwohl die anderen Figuren nur auf der Videowand zu sehen sind. Wie seid ihr darauf gekommen?

Gudrun: Irgendwann war klar, wenn ich alleine auf der Bühne bin, braucht es noch irgendein Element. Um auch Leute von draußen einzubeziehen sind wir auf die Idee gekommen, Fotos zu machen, die quasi mein schönes Leben bebildern. Dann kamen wir über die Rosi auf Instagram.

Karin: Hilft dir das ein bisschen beim Ausrasten?

Gudrun: Das Ausrasten ist für mich das Singen. Ich singe wahnsinnig gerne, das ist für mich entspannend. Wenn ich 1:25 nur Text sprechen müsste, wäre das schlimm. Ausrasten ist auch, wenn ich den Raum kurz verlasse und nicht gesehen werde.

Karin: Mit den Kostümen habt ihr auch viel Symbolkraft drinnen. Kommen die im Laufe des Entstehungsprozesses dazu?

Gudrun: Das Sportdress ist von den Menschen abgeschaut, die wir am Land wahrnehmen. Sport ist total wichtig. Sportlich sein, fit sein. Da war klar, die Esther muss das auch machen, eine Sportskanone sein. Dann beginnt es mit dem Zumba. Dieses Triathlon-Dress hätte ursprünglich eigentlich die Bea anziehen sollen, dann war aber klar, dass Esther das für das Sinnbild des absoluten Sportwahnsinns tragen muss. Das Dirndl kommt von einer Kostümbildnerin aus Dortmund, mit der Ed. zusammenarbeitet – im Austausch für einen von mir gestrickten Islandpullover. Das Dirndl hatte sie selber geschenkt bekommen, aber nicht gewusst, zu welcher Gelegenheit sie das tragen sollte. Das blutrote Kleid hat sie extra genäht. Da entstand auch noch die Idee mit den Handschuhen: nichts mehr spüren wollen. Der Strumpf über den Kopf: nichts mehr hören wollen, nichts mehr sehen wollen; alles zumachen. Da kommen unterschiedliche Quellen zusammen. Das hat genau gepasst, das Kleid hat genau gepasst: plötzlich hatte ich dieses Musical-Feeling. Auch dass die anderen Rabtaldirndln auftauchen, war zuerst nicht so geplant. Dann war klar, die Rosi muss die Nachbarin sein, die Babsi die Lehrerin und die Bea muss bei der Walking-Gruppe auftauchen.

Karin: Es passiert unwahrscheinlich viel bei euch, von der Konzeption bis zur Aufführung. Die Ideen aus dem Alltag, die unterschiedlichen Zugangsweisen, die vielfältigen Quellen.

Gudrun: Weil wir eben keine Rollen spielen, die jemand anderer schreibt. Alles was auf der Bühne passiert, kommt von uns. Und ist trotzdem durch die Kunstfiguren wieder ein bisschen weg von uns. Jede von uns hat wiederum Eigenheiten, die in der Entwicklung Platz finden – und dadurch jedes einzelne Stück wahnsinnig bereichern.