…sagt Ed. Hauswirth. Der Anspruch an den Text ist monumental. Er ist ein Baustein in einem Theaterstück, wurde geschrieben (von irgendjemanden) verändert (durch irgendjemanden), ausgesprochen (von Dreien) und videografiert (von Ed.). Nun fehlt ihm also noch ein Ich. Die Rabtaldirndln wollen dafür sorgen.
Aufgehen soll etwas in einem Text, einen Graben überbrücken soll er. Im Hintergrund werden für das aktuelle Die Rabtaldirndln Stück zwei Realitäten geschaffen, im Vordergrund verlangt dieser Text selbst quengelnd nach Aufmerksamkeit. In seiner schriftlichen Form schwankt er, Georg Simmel folgend, zwischen „Deutlichkeit und Deutbarkeit“. Die Komplikationen sind bereits zu erahnen.
Eine Konsultation von Simmels „Exkurs über den schriftlichen Verkehr“ lohnt sich, um der Aufforderung nach der Ich-Schaffung auf die Schliche zu kommen. Ausgangspunkt der gegenständlichen Betrachtung ist ein „wehrloser“ Text (eigentlich sind es drei, aber alle vom gleichen Schlag und in der selben Problemlage), dem eine Briefform unterstellt werden kann, eine Art Vollmacht oder Testament. Simmel stellt fest: „Die Form der brieflichen Äußerung bedeutet eine Objektivierung ihres Inhaltes.“ (S. 430)
Richtung der Aufgabe ist es also, von einer objektiven Form in eine subjektive(re) Form zu transformieren. Klingt doch eigentlich recht simpel.
Ist es aber nicht. Denn so ein Text – respektive der Brief – trägt vorweg schon einmal Vor- und Nachteile mit sich herum. Im Brief steckt bereits die Subjektivität drinnen, die abstrahiert wurde um das, was gerade nicht gesagt werden sollte. Diese „Entkleidung“ ist dann die „Objektivierung des Subjektiven“ (S. 431), ohne dass das Subjektive damit völlig verloren gegangen wäre, es ist also immer noch da. Es wohnt dem Brief damit eine Hybridität aus „Bestimmtheit und Vieldeutigkeit“ (S 431) inne, er ist ein „Ort der »Deutungen«“ (S. 432). Klar, das alles kann zu Missverständnissen führen.
Was konkret aber fehlt ihm?
Das Eindeutige. Vielleicht ist das das Ich? In der schriftlichen Form vermissen wir Mimik und Gestik, den Ausdruck des Direkten. Simmel beschreibt dieses Defizit geradezu melodisch:
[I]ndem man sein Gegenüber sieht, und in die mit Worten garnicht auszudrückenden Stimmungssphären desselben eintaucht, die tausend Nuancen in der Betonung und im Rhythmus seiner Äußerungen fühlt, erfährt der logische oder der gewollte Inhalt seiner Worte eine Bereicherung und Modifikation, für die der Brief nur äußerst dürftige Analogien bietet.“(S. 430)
Die Misslichkeit des Ichs stellt Ed. aber nicht in der schriftlichen Form des Textes fest, sondern im Stadium des Vortragens. Mimik, Gestik und Stimmklang haben sich schon eingemischt, immer noch aber bleibt das Ich verborgen.
Der Text braucht das Gegenüber. Das Gegenüber interpretiert den Text. Im vorliegenden Fall suchen Die Rabtaldirndln das (vorhandene!) Subjekt im Text lebendig zu machen und dann durch sie zur Schau zu stellen. Sie müssen den Text nämlich nicht verdeutlichen, sondern so beleben, dass das Gegenüber glaubt zu verstehen; die eigene Interpretation unerkennbar vermischt wird mit dem Gehörten und Erfahrenen; im Sinne Simmels wieder verundeutlicht, was der Brief beleuchtet:
„daß er aus dieser naiven Einheitlichkeit eines ihrer Element herausdifferenziert und dadurch die Vielheit jener prinzipiell geschiedenen Faktoren veranschaulicht, die unser scheinbar so einfaches gegenseitiges »Verstehen« ausmachen.“ (S433)
Komplikationen? Ist ja ganz einfach.
Karin Scaria-Braunstein
Simmel, Georg (2013): „Das Geheiminis und die geheime Gesellschaft – Exkurs über den schriftlichen Verkehr“. In: Rammstedt, Otthein (Hrsg.) Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung. 7. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Gesamtausgabe Band II), S. 383-455.