Wie wir über – unsere – Mütter erzählen können, das ist eine gar nicht einfache Angelegenheit. Das Changieren zwischen Intimität und Politikum gleicht einem porösen Draht. Mit Ahnfrauen bringen Die Rabtaldirndln und Regisseurin Nadja Brachvogel weit mehr auf die Bühne als den – immer noch notwendigen – Diskurs über die sogenannte Care-Arbeit.
Auf der Bühne thront die Figur der übergroßen Gebärenden, nackt. Hier beginnt die Schöpfung. Aus ihrer Möse winden sich Die Rabtaldirndln mit ihren je eigenen Vor-Geschichten, die einen gemeinsamen Knotenpunkt finden. An sie schmiegen sie sich, malträtieren sie, schlüpfen zurück in ihren Schoß. Auf ihr projizieren sich Vorstellungen und Ausformungen von Mutterschaft, Muttersein, Mütterlichkeit.
Kein Verdruss, keine Bloßstellung, aber auch keine Schönfärberei über die Mutter, das ist hier grandios gelungen. Die Rabtaldirndln geleiten durch eine Verwebung von Außenwelt und Innenleben. Dabei muss nicht explizit ausformuliert und abgeglichen werden, welche gesellschaftlichen Bilder es über die Intimbeziehung zur Mutter gab und gibt und wie sie empfunden werden (kann). Weil sich das auch gar nicht sauber aufdröseln lässt, sondern ineinander verschlingt.
Wenn vier Frauen sich auf eine Auseinandersetzung mit potenziellen Beziehungserfahrungen zu ihren Müttern und Vormüttern einlassen (potenziell deshalb, weil dies keine autobiographisch-psychoanalytische Sitzung ist), dann ergibt sich daraus eine vielgestaltige Bandbreite an Beziehungsformen. Emotionen, Sinnlichkeiten, Verstrickungen. Wohl ist das eine der wertvollsten Wirkungen dieser Performance. Nicht immer braucht es dafür eine gesprochene Sprache. Mütterliche Mimik und Gestik können vom Publikum problemlos gelesen werden. Auch wenn sie zuweilen köstlich auf die Spitze getrieben wird. Denn der Humor, der bleibt hier nicht auf der Strecke. Gleichwenig wie die eine oder andere bittere Pille, die es zu schlucken gilt. Weil Mutterschaft immer noch damit erklärt sein will, jede Mühsal ja so gerne zu tragen. Fiderallala, singen Die Rabtaldirndln.
Erwartungen und Enttäuschungen gehen miteinander einher. Die Erwartung der Mutter an das Kind, die Erwartung des Kindes an die Mutter, die Erwartung der Mutter an ihre Mutterrolle, die Erwartung der Gesellschaft an die Mütterlichkeit. Wo wir diesen Kreislauf des Nichterfüllenkönnes fortwährend wiederfinden und perfide am Laufen halten, führen uns die Künstlerinnen gekonnt vors Auge.
Die einzelnen Elemente von Ahnfrauen sind feinfühlig kreierte Teile eines saftigen Kuchens. Wir alle sind Krümel davon. Auch wenn wir selber keine Mutter sind. Eine Mutter haben wir und eine Beziehung zu ihr. Und die ist für die Beteiligten niemals perfekt. Es ist eine Annäherung, eine Ausverhandlung, manchmal ein Schweigen. Was für ein Glück.
Karin Scaria-Braunstein
Die Rabtaldirndln – Ahnfrauen
https://dierabtaldirndln.wordpress.com/