Thomas Sobotka, der an diesem Abend für die Regie und die Textfassung verantwortlich ist, vor der Premiere an der Bar den Ausschank übernimmt und zugleich auch als Schauspieler im Stück agiert, klärt gleich zu Beginn auf, dass man in der aktuellen t’eig-Produktion im Gesellenvereinstheater kein konventionelles Theater zu erwarten hat. Wie ist es überhaupt möglich, die unzusammenhängenden Themenkomplexe Arbeit, Tanz und Persönlichkeitsentwicklung so miteinander zu verweben, dass daraus ein in sich stimmiges Theaterstück entsteht?, stellt Sobotka eine Frage in den Raum. Er eröffnet damit das Spiel mit Grenzen und bietet dadurch auch den Ariadnefaden zum Verstehen eines vielschichtigen Schauspiels; den Grenzen des Selbst, des Theaters, schlicht des Lebens.
Er stellt diese Frage in einer ehemaligen Tanzschule am Kaiser-Franz-Josef-Kai, nahe der Schlossbergbahn, die dem ohnehin raumexperimentierenden t’eig-Ensemble diesmal als außeralltäglicher Schauplatz ihrer Inszenierung dient. Das Publikum flankiert die Szenerie, sitzt auf beiden Seiten der zentralen Tanzfläche, was irgendwie aus samstäglichen Tanzshows mit Prominenten bekannt ist. Aber hier wird ein Theaterstück aufgeführt, indem die Schauspieler_innen bewusst mit ihren Rollen spielen. So verflüssigen sich die Differenzen zwischen dramatischer Figur und realer Person: die Schauspieler_innen sind ja auf der Suche nach einem Plan B, so der Titel.
Handelt es sich um Theaterschauspieler_innen, die sich eben durch das Tanzen eine Alternative zu ihren prekären Arbeitsverträgen schaffen wollen? Oder handelt es sich um ein surrealistisches Schauspiel, das bewusst bricht mit Erwartungen und dadurch die gewohnten Bahnen des Wirklichen verfremden will? Noch ein Hinweis Sobotkas: Das Publikum soll sich indes als ein Assessment Center verstehen, als ob sie die sich um einen Job bewerbenden Schauspieler_innen bewerten müssen. Auch das erinnert an diese Fernsehb-promistanzshows. Aber inwiefern hängt das alles zusammen?
Die Antwort jedenfalls ist eindeutig: nicht eindeutig. Was aber gleichsam eindeutig ist: das Theater t’eig will mit ihrem Plan B der Vereindeutigung der Welt (Thomas Bauer) etwas entgegenhalten. Was die Antwort sicher nicht ist: „Die Produktion von theater t’eig umkreist die Themen Jobsuche, Selbstoptimierungswahn und Ausbeutung in einer von Arbeit getriebenen Gesellschaft.“ (Kleine Zeitung 17.4.2018) Vielmehr akzentuiert Sobotkas Zugang die Schwierigkeiten der Identitätskonstruktionen durch die Sichtbarmachung gegenwärtiger Subjektkulturen; diese umkreisen freilich auch Probleme aus dem Arbeitsbereich. Aber eben nicht nur: so sehr sich der Mensch durch Arbeit, Konsum, Kleidung, Sprache usw. inszeniert, mit der Zeit erkennt er, dass er sich dadurch dekoriert, mit etwas schmückt, versachlicht. Der Plan B umschreibt nun die Suche nach dem eigentlichen und nicht nach dem erzählten Selbst. „Als Setting […] dient eine Theaterprobe im hinreißenden Gesellenvereinstheater am Kaiser-Franz-Josef-Kai“, so die weitere Schilderung in der Kleinen Zeitung. Natürlich soll das Ganze als Probe wirken, aber darüber hinaus auch das Moment des Probierens in der Identitätsentwicklung unterstreichen.
Und dann – plötzlich – wird diese Probe gestört: 3 menschliche Figuren reklamieren, sie wollen aufgeführt werden. Sie befinden sich auf der Suche nach einem Autor, der ihre Figuren auf die Bühne bringt. Die Idee eines Theaters im Theaters geht zurück auf den italienischen Nobelpreisträger Luigi Pirandello, der zugleich der Autor des Stücks „6 Personen auf der Suche nach einem Autor“ ist. Noch ein unerwarteter dramaturgischer Eingriff in das ohnehin komplex akzentuierte Aufführungskonzept; was soll das alles bedeuten, wie passen die Teile zusammen oder gibt es nur Teile, kein Ganzes?
Hingehen, ansehen, bestaunen, steht normalerweise an dieser Stelle und ja, auch hier. Ja, allein schon wegen der schauspielerischen, tänzerischen und gesanglicher Brillanz aller Beteiligten. Und ja, weil die Suche nach etwas nicht im Finden enden muss und ja, weil der Plan nicht vorhersehen kann, vor welche Aufgaben die Wirklichkeit uns tatsächlich stellt: die Arbeit an sich selbst ist so eine.
Weitere Termine und Infos: http://www.theater-teig.at/
Raffael Hiden