When the children have been good…

Satire im Nationalsozialismus: Irrenhaus, Gottesgruß, Bratkartoffeln, Bilderbuch.

Satire ist mehrdimensional und stilistisch übergreifend. Sie darf viel, hat dadurch ein breites Wirkungsspektrum und vergesellschaftet. Was für einen noch möglich ist, ist für den anderen bereits unerträglich, ortet Sven Behrmann eine subjektive Grenze. Jedenfalls sei Satire ein Balanceakt.

Der Satiriker steht vor dem Problem, möglichst bissig und provokant in Form und Inhalt zu sein, ohne aber die ‚Grenzen’ des guten Geschmacks zu übertreten. Bleibt er zu harmlos, ist er uninteressant, geht er zu weit, läuft er Gefahr, seine Arbeit zu verlieren.[1]

Der Satiriker Karl Julius Weber hält fest: „Satire enthält leider! in der Regel mehr Wahrheit als eine Lobrede und in diesem Sinne ist das Bild auf die Weisheit stets eine Satire auf die Menschlichkeit“[2].

Fritz Grünbaum, Karl Farkas, Otto Wallburg, Willy Rosen – und zahlreiche weitere: die Zwischenkriegszeit war von jüdischen Künstler_innen geprägt. Wer kennt sie nicht, die alten Meister des Humors. Sie schreckten auch in der bedrohlichen Zeit des Aufschwungs des Nationalsozialismus nicht davor zurück, diese Zustände mit satirischen Seitenhieben zu beschreiben. Es war die Blütezeit des jüdischen Humors, von jenen Menschen getragen, die bereits in Gefahr standen, in die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten zu geraten[3]. Ihr Einfluss hallt immer noch nach.

Gerade rechtzeitig konnten sich einige (und viel zu wenige) jüdische Künstler_innen ins Exil retten und erwählten dort die satirische Waffe für den gewaltfreien Widerstand. Aber auch in Österreich kamen zu diesem Zeitpunkt satirische Witze und Persiflagen gegen die Nazis nicht zum Schweigen. Sosehr die Nazis auch versucht waren, freie Meinungsäußerung zu unterdrücken, und dies nach dem Anschluss rigoros durchzusetzen begannen, ließen sich satirische Äußerungen dennoch nicht vollständig unterbinden. In der Bevölkerung erfuhr der Flüsterwitz besondere Beliebtheit. Er spann ein wirkungsvolles Netz zwischen den Individuen; eine beeindruckende mikrosoziologische Vergesellschaftungsform.

Der Flüsterwitz war für die Menschen in erster Linie die Möglichkeit, sich über die bedrohlichen Machthaber und ihre Schwächen zu amüsieren. Auch wenn sie selten kritische Äußerungen zu den Verbrechen der Nazis enthielten, fungierten sie als praktikables Ventil, über die gegenständliche Situation im Land sprechen zu können[4]. Im Sinne der Ventil-Funktion wurden Flüsterwitze von den Nazis toleriert. Die Grenze des satirisch-tragbaren Witzes für das Regime, hin zu nicht-tragbaren Inhalten war jedoch unscharf[5] – und umso gefährlicher.

Mit dem Anschluss waren besonders Witze über die neuerdings verpflichtenden Grußform-Normen beliebt:

Der evangelische Pfarrer grüßt mit »Im Namen Gottes, Heil Hitler«, der katholische: »In Gottes Namen, Heil Hitler«[6].

War den Menschen klar, dass ein Witz darüber fatale Folgen haben könnte, wurden dennoch vielfältige Varianten verbreitet[7]:

„Hitler besucht ein Irrenhaus. Die Patienten machen brav den »deutschen Gruß«. Doch plötzlich entdeckt Hitler einen Mann, der aus der Reihe tanzt. »Warum grüßen Sie denn nicht wie die anderen?«, herrscht er ihn an. Darauf der Mann »Mein Führer, ich bin doch der Pfleger, ich bin doch nicht verrückt!«“

Ebenso wurden in Deutschland und Österreich die zunehmende Besetzung staatlicher Posten mit nationalsozialistisch-gesinnten Personen gerne für gängigen Spott herangezogen:

Eine Köchin, die ohne Fett Bratkartoffeln bereiten sollte, begann die Hakenkreuzfahne über dem Herde hin und her zu schwingen. Auf die Frage nach dem Sinn ihres Tuns gab sie zur Antwort: »Unter dieser Fahne sind schon viele fett geworden!«“[8].

Die Flüsterwitze verstummten auch nicht mit Beginn des  2. Weltkriegs. Selbst in den schwierigsten und katastrophalsten Zeiten des Naziregimes schwangen sie von Gehör zu Gehör. Zugleich blühte die Exil-Satire in mannigfaltigen Ausformungen auf. Künstler_innen fanden in England Zuflucht, unter ihnen österreichische und deutsche Kabarettist_innen. Bald bildete sich eine bestens vernetzte Kabarett-Szene heraus. Bereits 1939 institutionalisierte sich das „Austrian Center“, das zu einem wichtigen Treffpunkt österreichischer Exil-Künstler_innen wurde und noch im selben Jahr das Theater „Laterndl“ gründete; kurz darauf feierte das erste Programm „Unterwegs“ unter der Regie von Johann Müller (bzw. Martin Miller) Prämiere; es bestand aus sechs Sketchen, drei Liedern und befasste sich mit der Problematik der Emigration[9].

Der Führer spricht“ (1940) stammte ebenfalls aus der spitzen Feder des begnadeten Martin Miller. Daraus auszugsweise:

„Im Jahr 1920 entschloß ich mich, Politiker zu werden, und ich hatte seither nur ein Ziel vor Augen und nur an einem Ziel gearbeitet, das war die endgültige Befreiung des deutschen Volkes. Kein Opfer meines Volkes war mir je zu groß, und es ist eine unbestrittene und unbestreitbare geschichtliche Tatsache, daß niemand vor mir deutsches Blut deutschem Boden in so gewaltiger Masse zugeführt hat wie ich. Ich nenne, ich erwähne als stolze Taten in diesem einmaligen Befreiungskampf der Weltgeschichte die Wiederbesetzung der Rheinlandzone, die begeisterte Abstimmung im Saargebiet, für deren objektive Durchführung ich auch heute noch über alle Gegensätze hinweg der französischen Regierung Dank und Anerkennung zolle, den mit der überwältigenden Mehrheit von 99% Stimmen begrüßten Anschluß Österreichs, die vielbejubelte Befreiung des Sudentenlandes, unser segensreiches Wirken im Protektorat, und zuletzt unsere freundschaftliche Aktion für das polnische Volk.“

Mit scharfer Zunge und klaren Worten demaskierte Miller Hitler – und das bereits 1940! Wenige Zeilen genügten, um das gewaltige Ausmaß des Nazi-Schreckens in den besetzen Gebieten aufzuzeigen und den Größenwahn Hitlers vorzuführen. Ein gefeierter Erfolg.

Keine Kindergeschichten. Für den Ausklang dieser kleinen Rückschau in düstere Satire-Zeiten ein besonderes Satire-Exil-Schmankerl: „Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit“ (1941), verfasst von Robert und Philip Spencer; angelehnt an den Struwwelpeter, wurde es in miserabler Qualität gedruckt (und 2005 neu aufgelegt); unter die Leute musste es um jeden ideellen Preis gebracht werden. Der Nazimythos sollte untergraben und der Lächerlichkeit preisgeben werden:

„When the children have been good,
That is, be it understood,
Good at killing, good at lying,
Good at on each other spying.
When their fourteen Pas, and Mas,
Grandmammas and Grandpapas,
Great Grandparents too, are sure
That their Aryan stock is pure.
They shall have the pretty things
Krupp Von Bohlen kindly brings,
And the blessings, only listen!
Brought by Stinnes, Frick, and Thyssen,
Who will welcome all your savings
While you feed on grass and shavings.
Only such these shall look
At this pretty picture book”
.

Satire – in ihrer Vielgestaltigkeit und ihrer Grenzen(-losigkeit) weiterhin hitzigen Kontroversen unterlegen –  diente – und dient! als Ventil gegen die Angst, als Entzauberungsmittel und der Demaskierung. Eine gewichtige mikrosoziologische, grenzüberschreitende Vergesellschaftungsform mit künstlerisch-institutionalisierten Ausgestaltungen. Und sie bleibt – ein Balanceakt?

Karin Scaria-Braunstein

[1] Behrmann, Sven (2002): Politische Satire im deutschen und französischen Rundfunk. Würzburg: Königshausen & Neumann.

[2] Weber, Karl Julius (1842): Satire, Komik und der Roman. Stuttgart: Scheible, Riegler & Sattler.

[3] Herzog, Rudolph (2006): Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag.

[4] Herzog, Rudolph (2006): Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag.

[5] Hanisch, Ernst (2004): Der Flüsterwitz im Nationalsozialismus. In: Panagl, Oswald/Kriechbaumer, Robert (Hrsg.): Stachel wider Zeitgeist: politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Textsorten. Wien: Böhlau.

[6] Hanisch, Ernst (2004): Der Flüsterwitz im Nationalsozialismus. In: Panagl, Oswald/Kriechbaumer, Robert (Hrsg.): Stachel wider Zeitgeist: politisches Kabarett, Flüsterwitz und subversive Textsorten. Wien: Böhlau.

[7] Herzog, Rudolph (2006): Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag.

[8] Herzog, Rudolph (2006): Heil Hitler, das Schwein ist tot! Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich. Frankfurt am Main: Eichborn Verlag.

[9] Hippen, Reinhard (1986): Satire gegen Hitler. Kabarett im Exil. Zürich: pendo-Verlag.