Comic, Figur & Transformation

Comics sind unterhaltsam, veranlassen zu phantasievollen Gedankenreisen, anerbieten Zeichenkünste und sind so vielgestaltig, wie das Leben selbst. Die Figuren, die uns eine kurzweilige Zeitstrecke lang begleiten, fördern Sympathien oder Antipathien und erleben Abenteuer, die uns fesseln und die über unseren (Realitäts-)Sinn oftmals hinwegschreiten. Kinder wie Erwachsene scheinen gleichsam von ihnen begeistert zu sein.

Eine Rezension zu: Meinrenken, Jens (2010): Figurenkonzepte im Comic. In: Leschke, Rainer/Heidbrink, Henriette (Hrsg.): Formen der Figur. Figurenkonzepte in Künsten und Medien. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH, S 229-246.

Wie sich die Figuren in Comics ausgestalten, sich vorführen und welche Rollen sie spielen, damit beschäftigt sich Jens Meinrenken in seinem Beitrag „Figurenkonzepte im Comic“ (2010). Er verspricht, „die tiefer liegenden Sinnschichten des Figurenwandels im Comic [zu] untersuchen“ (229), Darstellungsprinzipien und den „Eigensinn der Figur“ zu durchleuchten, die „Universalität und Kosmologie der Figur im Comic“ zu betrachten und schließlich die „Figuren als Akteure und Schauspieler im Comic“ (229) zu besprechen. Eine Diskussion des umfassenden Figurenbegriffs beruht auf den Vorarbeiten nach Erich Auerbach. Der strukturelle Rahmen ist in vier Abschnitten vorgegeben, ein Fazit verwehrt der Autor.

In „Figürliche Masse und groteske Transformationen“ konstatiert Meinrenken, dass eine wissenschaftliche Betrachtung der Comicfiguren hinsichtlich ihrer „unterschiedlichen Bedeutungs- und Erscheinungsweisen“ (230) noch ausständig ist. Meinrenken untermauert die andauernde Aktualität, da: „es sich beim Comic um ein ausgesprochen modernes und ideologisch wirkungsvolles Massenmedium handelt“ (230).

Und recht unvermittelt schwenkt der Autor zu einem Gemälde von 1966, dessen Besprechung nicht gleich verstanden werden will. Die historische Betrachtung zur Entwicklung von Figurengestalten bedarf jedoch keiner weitern Skepsis, sie schlägt weit eher Brücken.

Eine wichtige Erkenntnis entspinnt sich in der Beschauung der formal-künstlerischen Aspekte, denn „durch den Verzicht auf einen übergeordneten narrativen Zusammenhang und die Verwendung typischer stilistischer Elemente des Comics (…) [wird] die Figur in den eigentlichen Fokus der Darstellung [gerückt]“ (231). Und dann heizt Meinrenken das soziologische Gemüt erst so richtig an, indem er darauf verweist, dass Comic Realität und Fiktion ebenso vereint, wie seine Figuren außerdem von Wandlungsfähigkeit und Widersprüchlichkeit geprägt sind (232).

Der zweite Abschnitt „Vom Eigensinn der Figur im Comic“ beschäftigt sich mit der Interpretationsnotwenigkeit durch den_die Leser_in und kommt abermals auf die Wandelbarkeit der Figuren zurück, dringt hier allerdings tiefer ein, da Änderungspotential im Charakter und Habitus konkret beleuchtet wird. Besonders eindrücklich arbeitet Meinrenken auch die Interaktion zwischen Figur und Schöpfer_in heraus. Zurückkommend auf die Form, legt der Autor die Struktur der Panels und ihren Zweck beziehungsweise ihre Einschränkung erkenntnisbringend dar (233-237).

„Universalität und Kosmologie der Figur im Comic“, der dritte Abschnitt, wird schließlich zur Herausforderung. Meinrenken bezieht sich hierbei vorwiegend auf Scott McCloud, versucht, die Kosmologie aufzuzeigen und verliert sich dabei in zuweilen lähmenden Vergleichen. Doch durchhalten lohnt sich! – als schließlich konkret raum- und zeitüberschreitenden Perspektiven in Comics und figürliche Identitätsüberschreitungen verhandelt werden. Als Beispiel führt Meinrenken den Comic Flash of Two Worlds! an. Leider in nur einem Satz behandelt Meinrenken die Kostümierung von Superhelden. Diese „(…) ist einem unauslöschbaren Zwang der Modernisierung unterworfen, um die Lebendigkeit und Aktualität der Figuren zu bewahren“ (241).

Den abschließende Teil „Figuren als Akteure und Schauspieler im Comic“ eröffnet Meinrenken anhand einer weitern historischen Rückschau, in einer kontextuellen Entwicklungsbesichtigung der Bildgeschichte und des Figurenbegriffs. Zur Veranschaulichung der Körpersprache in Comics verweist Meinrenken auf Will Eisners Bilderfolge Hamlet auf dem Dach, und zur Verdeutlichung der Einzigartigkeit der Comicfiguren auf Andreas C. Knigges Buch Alles über Comics. Danach findet man sich unumwunden in einer definitorischen Diskussion zum Begriff der Figur nach Auerbach. Zur Verdeutlichung des Transformationspotentials in Comics dient der Plastic Man, er geleitet zur abschließende These – angelehnt an Stephan Packerd -: „(…) dass in der Figur des Plastic Man die gestalterischen und figürlichen Expansionsmöglichkeiten des Comics vollends zur Deckung kommen“ (243).

Karin Scaria-Braunstein

Veröffentlicht in Lesen